Dysphagie bei Myasthenia Gravis

Die Myasthenia Gravis ist eine Autoimmunreaktion mit dem klinischen Bild einer Muskelerkrankung. Sehr oft sind dabei vor allem die kleineren Muskeln betroffen. Im Verlauf der Erkrankung ist das Auftreten einer Dysphagie wahrscheinlich.

In der logopädischen Praxis ist eine der wichtigsten Aufgaben bei Patienten mit Myasthenia Gravis neben moderatem Krafttraining auch die Beratung der Patienten.

Myasthenia Gravis

Mit einer Prävalenz von 100-200 (pro 1.000.000) betrifft die Myasthenia Gravis häufiger Frauen als Männer (3:2).

Es handelt sich um eine Autoimmunreaktion bei der Antikörper produziert werden, die sich an die Rezeptoren der motorischen Endplatte der Muskelzellen docken und sie damit blockieren. Im Speziellen blockieren die Antikörper die Acetycholinrezeptoren.

Dadurch werden alternierende Bewegungen der willkürlichen Muskulatur langsamer. Dies betrifft vor allem die kleinen Muskeln.

Die Myasthenia Gravis verläuft in drei Stufen.

  1. Der Beginn sind oft die Augen (Lidheber und Lidschluss)
  2. leichte bis mittelschwere Beeinträchtigung des gesamten Körpers
  3. Atemmuskulatur betroffen

Video einer Myasthenia Gravis-Patientin

Dysphagie

Die Inhalte der Dysphagie-Therapie bei Patienten mit Myasthenia Gravis sind vor allem die Beratung der Patienten in Bezug auf wichtige Faktoren, die den Schluckakt verbessern.

Besonders Pausen vor den Mahlzeiten und die Verteilung der Nahrungsaufnahme auf viele kleine Mahlzeiten sind dabei mit dem Patienten zu besprechen. Beim Essen selbst sollte so wenig Ablenkung wie möglich vorhanden sein, damit eine konzentrierte Nahrungsaufnahme möglich ist. Der Einsatz von Warmhalte-Geschirr und Mikrowellen hat sich als sehr hilfreich erwiesen.

Um die Versorgung zu sichern sollten Patienten auf hochkalorische Kostformen zurück greifen und bilanzierbare Nahrungsergänzungen zu sich nehmen.

Neben der Beratung ist ein moderates Krafttraining für Zunge und Gaumensegel wichtiges Element. Mundmotorische Übungen und auch Übungen gegen Widerstand sind sinnvoll, sollten den Patienten aber nicht bis an den Rand der Erschöpfung bringen, sondern sehr dosiert eingesetzt werden.

Die Erarbeitung einer einfachen aber unterstützenden Haltung bei der Nahrungsaufnahme sollte durchgeführt werden, auch unter Zuhilfenahme externer Kontrollen. So können Lagerungstechniken zusammen gestellt werden, die sich um Kopf- und Rumpfkontrolle kümmern, damit mehr Energie für den Schluckakt selbst zur Verfügung steht.

Atmung

Spätestens in Stufe 3 des Verlaufs wird auch die Atmung für Patienten mit Myasthenia Gravis ein Problem. Schon frühzeitig sollte der Einsatz eines CoughAssist erwogen und auf viele Pausen und Ruhephasen in der Therapie geachtet werden.

Sofern ein Ausatemtraining mit EMST hilfreich erscheint, sollte man darauf achten, den Druck für die Öffnung des Ventils möglichst niedrig einzustellen.

Prioritäten

Natürlich ist es erst einmal das Ziel, alle Funktionen wie Schlucken und Kommunikation so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Bei weit fortgeschrittener Myasthenia Gravis kann es für Patienten aber durchaus erforderlich sein, Prioritäten zu setzen. Eine Umstellung auf eine enterale Ernährung mittels PEG kann Energieresscourcen für die verbale Kommunikation frei halten. Patienten werden sich früher oder später darüber im klaren sein, dass sie sehr bewusst mit ihrer Energie haushalten müssen – wie sie sich dabei entscheiden ist individuell und sollte von allen Therapeuten mit getragen werden.

4 Gedanken zu “Dysphagie bei Myasthenia Gravis

  1. Vielen Dank für diesen Einblick. Kann bei Myasthenia Gravis auch die Sensibilität betroffen sein und es zu stiller Aspiration kommen?

    1. Eine reduzierte Sensibilität ließe sich über die Wirkmechanismen der Erkrankung nicht gut erklären. Eine stille Aspiration ist soweit ich das überblicke eher unwahrscheinlich. Wohl aber kann die Kraft und der Hustenstoß unzureichend sein, um aspiriertes Material effektiv aus dem Atemwegen zu beseitigen.

  2. Vielen Dank für diesen sehr wertvollen Beitrag! Ich habe meinen ersten Patienten mit Myasthenia Gravis und war echt unsicher, was man alles beachten muss und vor allem, wie viel man aktiv üben kann. Jetzt habe ich eine Richtung! Danke.

    1. Liebe Anna, ich habe seit einem halben Jahr meine erste Patientin mit MG und würde gern in einen fachlichen Austausch kommen.
      Über eine Mail würde ich mich sehr freuen.
      Danke – Roland

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert