Ich weiß nicht, wie es euch während der Logopädie-Ausbildung ging, aber ich habe MODAK für Aphasie-Patienten nur am Rande mitbekommen. Schon damals war klar, dass MODAK ein eher veraltetes Konzept ist, zu starr und zu wenig therapeutisch. Das Konzept der myofunktionellen Therapie nach Anita Kittel allerdings, haben wir bis zur Erschöpfung behandelt und mussten unzählige Kinder mit einer myofunktionellen Störung damit quälen.
Aktuelle Forschungen allerdings zeigen, dass beide Konzepte etwas gemeinsam haben.
MODAK
Das Konzept der Modalitätenaktivierung in der Aphasietherapie nach Luise Lutz richtet sich speziell an die Bedürfnisse schwer betroffener Aphasie-Patienten. Mit dem Ziel, den Patienten zügig eine Kommunikation zu ermöglichen, wird an allen Modalitäten gearbeitet. Nach einem eher strengen Ablaufplan werden Zeigen, Lesen, Schreiben und Benennen eingesetzt.
Der Gedanke hinter dem Konzept von Luise Lutz ist die Elliptizität der Alltagskommunikation. Eine Ellipse ist eine „Aussparung von sprachlichen Elementen, die aufgrund von syntaktischen Regeln oder lexikalischen Eigenschaften (…) notwendig sind.“[1] Bei der elliptischen Sprache werden also Regeln außer Acht gelassen. Sprachwissenschaftlich betrachtet hat dies viele Ursachen. In Bezug auf das Konzept MODAK geht es um Vereinfachung. Die Kommunikation soll erleichtert werden, durch eine Reduzierung auf das Wesentliche. „Brief schreiben“ oder „Brot schneiden“.
Das MODAK-Konzept ist dabei eher durch einen Versuch entstanden, Aphasie-Patienten ein Therapiekonzept anbieten zu können, das den Schwerpunkt auf das Kommunikationstraining legt. Der Aufbau ist einfach und soweit auch nachvollziehbar: Übungen, die nach einem festen Muster chronologisch durchgeführt werden, fördern alle Modalitäten der Sprache (das Sprechen, das Verstehen, das Lesen und das Schreiben).
Myofunktionelle Therapie
Die myofunktionelle Therapie nach Anita Kittel ist ausgelegt auf die Behandlung von Kindern mit Störungen im Bereich der Kau- und Schluckmuskulatur.
Die Basis der myofunktionellen Therapie (MFT) nach Anita Kittel ist der Umstand, dass der Mensch in Bezug auf das Sprechen und Schlucken keine einzelnen Bewegungen speichert, sondern das Gehirn Bewegungsmuster erlernt, speichert und bei Bedarf abruft. Voraussetzung für einen effektiven Bewegungsablauf ist ein ausgeglichener Tonus der beteiligen Muskulatur. Sowohl die Bewegungsmuster als auch die eutone Muskelspannung sind wesentliche Teile der MFT.
MODAK und MFT vergleichbar?
Natürlich kann man diese beiden Therapiekonzepte der Logopädie nicht miteinander vergleichen. MODAK richtet sich an Aphasie-Patienten, die MFT an Kinder. Bei ersterem geht es um die Sprache und Kommunikation, beim zweiten um Bewegungsabläufe und Funktionen von Muskeln.
Therapiekonzepte haben aber nicht nur einen therapeutischen Kontext sondern auch weitere Aspekte, die es zu betrachten lohnt. Und hier zeigt sich eine Vergleichbarkeit. Sie sind wissenschaftlich nicht belegt.
Genauer betrachtet hat dies – eher als Nebenergebnis – am Beispiel der MFT eine Studie der HS Osnabrück. In der Studie ging es um die Frage, ob zusätzlich zu einer MFT nach Kittel ein positiver Effekt auf den Mundschluss durch Taping erreicht werden kann. Das Ergebnis der Studie: Es gab keine signifikante Verbesserung des Outcomes durch Taping, es gab aber auch keinen signifikant besseren Outcome durch reine MFT [2]. Im Rahmen der Diskussion der Arbeit wurde klar, dass für das gesamte Konzept der myofunktionellen Therapie, keine Belege existieren.
Das gilt auch für MODAK.
Und für beide glaube ich behaupten zu können, dass das auch so bleibt. Warum? Weil sie sich auch ohne Nachweis prächtig verkaufen. MODAK ist bereits eine registrierte Marke. Zu beiden Konzepten gibt es unzählige Fortbildungen.
Trotzdem wird bei beiden eine Wirkung nur angenommen. Natürlich scheinen die Konzepte zu funktionieren. Aber einen Beweis sind beide Autorinnen bis heute schuldig.
Meine Dozentinnen und Dozenten, damals in der Logopädieschule, hatten also zur Hälfte Recht, das MODAK-Konzept nur am Rande vorzustellen. Das Curriculum des niederländischen Studiengangs Logopädie hat also Recht, die Konzepte zwar anzusprechen, aber nicht weiter zu vertiefen.
Ich habe mich schon immer gefragt, warum auf eine so kleine Kinderzunge drei Gummiringe passen müssen.
Literatur und Quellen
- Bußmann, H (1990). Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart.
- Tenhagen, A (2014). Kinesio Taping in der Myofunktionellen Therapie nach A. Kittel, Bachelor-Arbeit, HS Osnabrück
Lieber Alex,
ungeachtet dessen, was man von beiden Vorgehensweisen hält, kann man das so nicht sagen.
Du berichtest von einer Studie, die im Rahmen einer Bachelorarbeit durchgeführt wurde. Die Arbeit ist nicht veröffentlicht (oder doch? wenn ja, wo?) und man kann nun Methode, Ergebnisse und Interpretation nicht nachvollziehen.
Untersucht wurde in irgendeiner Weise der Mundschluss und ob dieser sich durch Taping vs. MFT nach Kittel verbessert. Das Ergebnis wurde so interpretiert, dass beide Interventionen keinen deutlichen Verbesserungseffekt zeigen. -> Das heißt dann aber nicht, dass das Konzept nach Kittel generell oder alle Komponenten unwirksam sind. Denn dies wurden ja gar nicht untersucht.
Wenn keine Belege für die Wirksamkeit in der Literatur gefunden werden können, bedeutet dies nicht, dass das Konzept unwirksam ist. Denn es kann ja sein, dass einfach sich noch nie jemand der Fragestellung angenommen hat. Es sei denn, dass es gut durchgeführte Studien gäbe, welche die Nichtwirksamkeit beweisen würden. Und selbst in dem Fall bräuchten wir stärkere Evidenzen als sie mit den Mitteln einer Bachelorarbeit erbracht werden könnten, um eine Methode o.ä. prinzipiell für unwirksam zu erklären.
Die Diskussion um MODAK als effektive und gewinnbringende Therapie ist bestimmt sinnvoll. Aber eine rigorose und grundsätzliche Ablehnung halte ich nicht für berechtigt. So gibt es bspw. drei Einzelfallstudien (zugegebener Maßen auch „nur“ Bachelorarbeiten an der RWTH Aachen), in denen MODAK-Items benutzt wurden und zumindest in Anlehnung an das Konzept die Grundprinzipien angewandt wurden. Alle zeigen signifikante Verbesserungen in unterschiedlichen Outcomeparametern.
Angemessen sind sicherlich auch Diskussionen um Fortbildungen zu Konzepten oder Methoden (die Wirksamkeit suggerieren) und warum diese so viel Zulauf finden. Dazu ein Interview mit Karen Lorenz http://therapeutenonline.de/branchennews/berufspolitik/details/artikel/spatR-ein-konzept-zur-behandlung-der-sprechapraxie-bei-schwerer-aphasie/ ,die behauptet, dass der Zulauf zu ihren Seminaren Evidenz genug für das Konzept sei. Da muss man sich schon fragen, was das soll…
Ja, das stimmt. Eine generelle Unwirksamkeit der Konzepte kann man nicht behaupten. Das will ich auch nicht. Aber mir ist wichtig zu verdeutlichen, dass Studien über eine Wirksamkeit fehlen – und das bei manchem Konzept sogar absichtlich.
Lieber Herr Fillbrandt,
als Autorin der Bachelorarbeit möchte ich zusätzlich zu Bedenken geben, dass der Diskussionsteil ebenfalls beleuchtet, dass es sich lediglich um eine 3-wöchige Intervention hielt! Bevor es wirksame Therapiestudien im Bereich der orofazialen Dysfunktionen geben kann, muss zunächst eine standardisierte Diagnostik inkl. Normwerte entwickelt werden. (Klinisch betrachtet würde ich nicht unterstützen, dass die Therapie nach Kittel keine Effekte hat!)
Sie haben in jedem Fall recht, es ist ein Mangel an Evidenzen vorhanden. Arbeiten wir daran!
Anne Tenhagen