Wenn eine FEES keinen Sinn macht!

Es gibt Tage im Leben eines Therapeuten, die machen einen verrückt. Kürzlich war so ein Tag. Ein Montag, durch und durch.

Aber die Geschichte begann schon ein paar Tage zuvor. Eine Kollegin aus einer benachbarten Klinik und einer benachbarten Fachrichtung wollte einen Termin für eine fiberendoskopische Schluckuntersuchung. Ungewöhnlich war das nicht. Schluckuntersuchungen führen wir durch und bei unseren ehemaligen Reha-Patienten poststationär auch sehr gern. Wir halten so den Kontakt zu Patienten die wir entlassen haben. Aber dieser Patient sollte nicht poststationär kommen, sondern rein ambulant. Abrechnungstechnisch kompliziert, genau genommen unmöglich, habe ich aber eine Ausnahme angeboten. Es sei so kompliziert für den Patienten zu essen und zu trinken.

Für eine Schluckuntersuchung müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Besonders wenn es eine ambulante FEES ist, brauchen wir dabei den Rollstuhl des Patienten, eine Überweisung von einem Arzt und noch ein paar Informationen. Da die Untersuchung von der benachbarten Kollegin angeregt wurde, habe ich auf eingehende Fragen verzichtet und auf ihre Kenntnis vertraut.

Ein großer Fehler, wie sich herausstellte. Mein Untersuchungspatient kam mit einem Liegendtransport, natürlich ohne seinen Rollstuhl. In dem habe er schon Monate nicht mehr gesessen, weiß die Ehefrau zu berichten. Überhaupt sei er seit seiner Lungenentzündung gar nicht mehr richtig mobilisiert worden. An dieser Stelle zogen graue Wolken auf. Nicht nur, weil ich es unverantwortlich finde, wenn Patienten nicht mehr mobilisiert werden, auch nicht weil kein Rollstuhl mitkam und auch nicht weil der Patient keine Trachealkanüle trug, obwohl er augenscheinlich tracheotomiert war.

Am allermeisten irritierte mich, dass der Patient larynektomiert war und mir das vorher keiner gesagt hatte. Selbst meine Studentinnen wussten, dass eine Aspiration bei laryngektomierten Patienten nur in ganz besonderen Fällen auftritt, wenn beispielsweise ein Stimmprothese nicht mehr sicher schließt. Und das würde man mit einer FEES auch nicht erkennen können.

Im Laufe des Gesprächs mit Patient und Ehefrau stellten sich dann viele Probleme dar, bei denen sie weder von den behandelnden Therapeuten noch den involvierten Ärzten Hilfe bekamen.

Mobilisation, ich sagte es bereits, fand nur sehr begrenzt statt. Drei mal die Woche in der Physiotherapie wohl mal auf die Bettkante, aber mehr nicht. Schließlich sei ihr Mann meistens müde und schlapp. Und wie solle sie ihn aus dem Bett bekommen. „Einen Lifter? Was soll ich mir denn noch alles in die Wohnung stellen?“

Wie es denn mit dem Essen und dem Trinken sei, fragte ich. „Ach, wissen Sie, er trinkt ja nur noch diese Astronautennahrung. Alles andere was ich ihm koche isst er nicht.“ Dabei vergaß sie zu erwähnen, dass es nur passierte Kost gab, jahrelang selbst gemachter Brei aus Kartoffeln und Möhren. Köstlich!

Viele der Alltagsprobleme beruhen dabei auf Unwissenheit. Mit einer vernünftigen Beratung, etwas Geduld und kleinen Tipps an der richtigen Stelle hätte man so manche Komplikation verhindern können. Nach einer Stunde Gespräch bin ich mir sicher, dass das Unvermögen derjenigen, die dem Patienten und seiner Ehefrau hätten helfen sollen, auch dazu geführt hat, dass man eine fiberendoskopische Schluckuntersuchung in die Wege geleitet hat. Was für ein Aufwand.

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