Eine gute Therapie basiert auf einer guten Diagnostik. Damit alle Aspekte diagnostisch abgeklärt werden, braucht es ein Befundsystem – einen Wegweiser. Aber was gehört bei tracheotomierten Patienten alles dazu?
Keine Leitlinien
Für tracheotomierte Patientinnen und Patienten gibt es immer noch keine Leitlinien. Weder die Neurologen noch die HNOs haben bisher etwas entwickelt, das eine evidente Vorgehensweise bei Patientinnen und Patienten mit Trachealkanüle ermöglicht und vereinheitlicht.
Diese Lücke muss aber in der Diagnostik und Therapie durch uns Logopädinnen und Logopäden geschlossen werden. Dazu muss man sich im Vorfeld Gedanken machen, welche Informationen man in der Diagnostik sammeln und im Befund erheben möchte. Ein Versuch.
Wichtige Bereiche für den Befund
Natürlich ist es wichtig, möglichst viel über die Trachealkanüle in Erfahrung zu bringen. Auch mir kommen immer wieder Trachealkanülen unter die Finger, die ich so bisher nicht gesehen habe oder die ich anhand des Trachealkanülen-Schildes nicht identifizieren kann. Es ist aber wichtig zu wissen, ob eine Trachealkanüle besonders lang ist, eine Fensterung hat oder einen high pressure Cuff besitzt.
Auch über das Stoma gilt es, Hintergründe in Erfahrung zu bringen. Über die Schluckfähigkeit des Patienten und über die bisherigen Therapieanstrengungen.
Für mich sind die folgenden Punkte daher die wichtigsten
- Anamnese
- Kognition
- Stoma und Trachealkanüle
- Atmung
- Schluckfähigkeit
- Sekretmanagement und Absaugung
- Motorik und Sensorik
Das sind sehr viele Informationen, sehr viele Daten die irgendwie gesammelt, erhoben und dokumentiert werden müssen. Wie aber strukturiert man die Fülle an Notwendigkeiten in der Befundung tracheotomierter Patientinnen und Patienten in den einzelnen Punkten?
Anamnese
Natürlich gehört die Anamnese zu einem ordentlichen Befund. Bereits an dieser Stelle möchte ich aber besonders wissen, welches Prozedere bei meinen Patientinnen und Patienten noch geplant ist. Anstehende OPs beispielsweise muss ich im Hinterkopf behalten, damit ich nicht zu früh dekanüliere – nichts ärgert einen Anästhesisten mehr, als ein fast verschlossenes Stoma nach Dekanülierung.
Kognition
Zu diesem Bereich gehören für mich wichtige Informationen, die mir den Umgang mit tracheotomierten Patientinnen und Patienten erleichtern.
Zunächst will ich wissen, wie die Kommunikation gesichert werden kann. Ist es beispielsweise möglich, eine schriftsprachliche Kommunikation zu nutzen?
Wichtig ist mir aber auch, ob der Patienten kognitive Einschränkungen wie eine gestörte Gedächtnisneubildung hat, und ich bei der Erläuterung meines Handelns daher einzelne Schritte immer wieder erklären sollte. Und: Kann der Patient meine Instruktionen verstehen und umsetzen. Besonders wichtig, wenn ich ihn zum Husten auffordere.
Noch einfacher: Ist der Patient wach und ansprechbar?
Stoma und Trachealkanüle
Von Außen lässt sich nicht immer erkennen, wie ein Stoma angelegt wurde. Spätestens kurz vor der Dekanülierung ist es aber ein wichtiger Faktor. Daher will ich diese Information schon bei der Befundung bekommen.
Daneben interessiert mich, wie groß das Stoma ist und wann es angelegt wurde.
Wichtiger aber sind alle Informationen rund um die Trachealkanüle selbst. Ihre Eigenschaften wie Fensterung, Innenkanülen und auch ihre Größe sind für die Therapie und Versorgung entscheidend und bieten unter Umständen Erklärungsansätze für eine unzureichende Mund-Nasen-Atmung oder Hustenreiz beim Entblocken.
Überhaupt: Entblocken. Für mich gehört ein Entblockungsversuch zu einem ordentlichen Befund bei Trachealkanülen dazu.
Atmung
Für einen Entblockungsversuch muss ich natürlich wissen wie die Atmung meiner Patientinnen und Patienten ist. Läuft eine maschinelle Beatmung? Ist das Weaning schon erfolgreich begonnen? Wie viel Sekret habe ich zu erwarten oder wie viel Sekret habe ich bei meinem Entblockungsversuch absaugen müssen.
Schluckfähigkeit
Patientinnen und Patienten mit Trachealkanüle haben oft eine Dysphagie oder sind zumindest gefährdet eine solche zu entwickeln. Daher gehört für mich zu einem Befund in Bezug auf die Trachealkanüle immer auch ein Befund in Bezug auf den Schluckakt. Inklusive Bildgebung. Viele Scores stehen hier zur Verfügung und sollten auch in einem TK-Befund notiert werden.
Sekretmanagement und Absaugung
Noch mal zurück zum Absaugen. Die Menge an Sekret oberhalb des Cuffs ist ein Schlüsselkriterium für erfolgreiches Entblocken. Eine Studie besagt, dass es 1 bis 2 ml und nicht mehr sein sollten. Wenn aus dem Stoma also bereits sehr viel Sekret läuft weiß ich, dass es mit dem Entblocken schwierig wird.
Auch die Farbe und Beschaffenheit des Sekrets gibt Aufschluss, wie wahrscheinlich ein erfolgreiches Entblocken sein wird. Schaumiges oder trübes Sekret sind nicht so gut, wie klares flüssiges Sekret – besagt die selbe Studie.
Motorik und Sensorik
Gerade bei Patientinnen und Patienten mit Trachealkanüle zur Aspirationsprophylaxe sind mir die Motorik und Sensorik wichtig.
Ich muss nämlich wissen, ob meine Patientinnen und Patienten einen Mundschluss für die Therapie haben, ob sie eine ausreichende Beweglichkeit des Larynx haben und wie es um die Schutzreflexe inklusive Schluckreflex bestellt ist. Im Grunde sind es ja oft Dysphagie-Patienten.
viele Informationen
Neben den schon angesprochenen Elementen eines ausführlichen Befundes gibt es noch sehr viele weitere.
Ich habe sie alle gesammelt um sie in eine sinnvolle Struktur zu gießen und miteinander zu verknüpfen. Hier habe ich wirklich nur ein paar angesprochen.
Befundsystem für Trachealkanülen
Ein kurzer Blick auf meinen Bildschirm verrät – in Kürze wird es ein Befundsystem für Patientinnen und Patienten mit Trachealkanüle geben. Ziel ist es, die Befundung zu erleichtern und Therapeutinnen und Therapeuten dabei zu helfen, keine Aspekte der Befundung zu vergessen. Am Ende steht mit dem Befundbogen ein zentraler Ort bereit, der alle nötigen Informationen für die Therapieplanung bietet – übersichtlich und ohne Schnörkel.
Quellen und Literatur
- Pryor, Lee N, Elizabeth C Ward, Petrea L Cornwell, Stephanie N O’Connor, and Marianne J Chapman. 2016. ‘Clinical Indicators Associated with Successful Tracheostomy Cuff Deflation.’, Australian Critical Care : Official Journal of the Confederation of Australian Critical Care Nurses, 29.3: 132–37
- de Lima Zanata, Isabel, Rosane Sampaio Santos, and Gisela Carmona Hirata. 2014. ‘Tracheal Decannulation Protocol in Patients Affected by Traumatic Brain Injury’, International Archives of Otorhinolaryngology, 18.2 (Thieme Medical Publishers): 108–14
- Morris, Linda L, Andrea Whitmer, and Erik McIntosh. 2013. ‘Tracheostomy Care and Complications in the Intensive Care Unit.’, Critical Care Nurse, 33.5: 18–30
Weitere Quellen dann natürlich im Kö.Be.S. TK! Versprochen.
Ausblick
Über die Aufgaben der Logopädie beim Trachealkanülenmanagement habe ich bereits geschrieben. Grundsätzlich ist mir wichtig, dass die Behandlung immer in einem interdisziplinären Team passiert und dass alle Berufsgruppen wichtige Anteile haben. Das gilt auch für die Befundung!
Daher richtet sich mein Kö.Be.S. TK nicht ausschließlich an Logopädinnen und Logopäden. Ich sehe aber bei dieser – meiner – Berufsgruppe die Federführung, den zentralen Anlaufpunkt. Daher freue ich mich sehr, dass ProLog sich bereit erklärt, das KöBeS TK zu veröffentlichen und ich danke Uli Birkmann, dass er mir die Möglichkeit bietet, damit sein Kö.Be.S. Dysphagie zu erweitern.
Gibt es schon ein geplantes Datum für die Veröffentlichung?
Noch gibt es kein konkretes Datum für die Veröffentlichung. Geplant – und auch realistisch – ist die erste Jahreshälfte 2017.
Danke für dein Interesse!
Grüße
Alex