Als Logopäde in der Neurochirurgie und Neurologischen Frührehabilitation habe ich viel mit Patient*innen zu tun, die nicht mehr sicher schlucken können, also eine Dysphagie entwickelt haben.

Zu den Konsistenzen, die ein Mensch schlucken kann, gehört neben flüssig, halbfest, fest und krümelig auch der Speichel. Patient*innen haben im Rahmen neurologischer Erkrankungen manchmal unter vermehrter Speichelproduktion zu leiden: Hypersalivation: ein echtes Problem.


Was ist Hypersalivation?

Von Hypersalivation (Synnonym: Sialorrhoe, Ptyalismus) spricht man, wenn Patient*innen in Ruhe mehr als 1ml Speichel pro Minute produzieren oder bei Stimulation mehr als 3,5ml pro Minute.

Hypersalivation bezeichnet aber auch das Unvermögen, den Speichel in erforderlichem Maß effektiv zu schlucken.

Wann tritt Hypersalivation auf?

Typischer Weise ist Hypersalivation ein Symptom bei Problemen mit der Mundflora oder am Zahnapparat.

In der Neurologie tritt die Hypersalivation vor allem auf bei einer Schädigung oder Beteiligung der Hirnnerven Vagus und Glossopharyngeus. Bei Patienten mit Morbus Parkinson ist dies häufig der Fall.

Warum ist Hypersalivation ein Problem?

In beiden Fällen, also sowohl wenn Speichel in erhöhtem Maße produziert wird aber auch wenn das Vermögen fehlt, den Speichel effektiv abzuschlucken, ergibt sich für Patient*innen mit Dysphagie die Gefahr der Speichelaspiration. Und Speichelaspiration kann zu Pneumonien führen.

Was hilft bei Hypersalivation?

Zunächst ist eine vernünftige Mundpflege wichtig. Über die therapeutische Mundpflege habe ich bereits berichtet. Sie stellt die effektivste therapeutische Intervention auch bei Hypersalivation dar.

Bei der Wahl einer Mundspüllösung kann man bei der therapeutischen Mundpflege auf Tees zurückgreifen, die unter Umständen eine trockenere Mundschleimhaut begünstigen. Das sind allen voran Kamillentee und Salbeitee. Allerdings sollte man sich von Tees im Zusammenhang mit Hypersalivation nicht zu viel versprechen.

Auch Lösungen auf Kräuterbasis wie Salviathymol können die Speichelproduktion positiv beeinflussen. Wenn die Ursache allerdings neurogen ist, sinkt die Wahrscheinlichkeit eines effektiven Effektes.

Sinnvoller und effektiver sind bei einer problematischen Hypersalivation daher die medikamentösen Interventionen. Es stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.

Wirkstoff Scopolamin:

Scopolamin steht in zwei Darreichungsformen zur Verfügung. Neben den bekannten Pflastern gegen Reiseübelkeit Scopoderm gibt es Scopolamin auch als Lösung, die direkt in die Mundhöhle gegeben oder über eine PEG verabreicht werden kann.

Scopoderm hat viele Nebenwirkungen, die bei neurologischen Patienten übersehen werden können aber einen sehr negativen Einfluss auf den Rehabilitationsfortschritt haben. Daher würde ich vom Einsatz abraten. Eine Lösung aus Scopolamin hat da deutliche Vorteile:

Die individuelle Dosierbarkeit, die günstige therapeutische Breite, die gute Kalkulierbarkeit der Nebenwirkungen machen Scopolaminlösung zu einem geeigneten Medikament zur Speichelreduktion bei Dysphagiepatienten.
Leonhard Fischbacher und Heidrun Schröter-Morasch 12. September 2003

Wirkstoff Glycopyrroniumbromid:

Der Wirkstoff Glycopyrroniumbromid steht als Injektionslösung zur Verfügung, zum Beispiel in dem Präparat Rubinol.

Rubinol hemmt Rezeptoren die unter anderem für die Produktion von Speichel zuständig sind. Entscheidend für den therapeutischen Effekt auf Hypersalivation ist eine geringe Dosierung.

Wirkstoff Botolinum Toxin:

Mit dem Nervengift Botolinum Toxin (oft auch als Botox bezeichnet), können Speicheldrüsen gezielt für zwei bis drei Monate stillgelegt werden.

Wenn absehbar ist, dass die Ursache für die Hypersalivation für länger besteht, ist Botolinum Toxin das Mittel der Wahl. Sofern das Gift gezielt in die Speicheldrüse injiziert wurde, besteht nur ein geringes Risiko für Nebenwirkungen. Der Vorteil liegt hier sicher in der isolierten Stilllegung der Speicheldrüsen ohne auf alle Sekretdrüsen im Körper zu wirken.

Auch kann Botolinum Toxin eingesetzt werden, um einen möglichen Effekt durch Bestrahlung als ultimo ratio zu testen.

Bestrahlung

Eine endgültige Lösung stellt die Bestrahlung dar. Eine Radiotherapie mit 400-1000 rad zur Reduktion des Speichelflusses und 4000 rad zur Atrophie der Drüsen stellt eine irreversible Lösung dar. Ihr Einsatz muss genau abgewogen werden, auch die Risiken während der Bestrahlung.

Take Home

Welchen Weg man als Therapeut beschreitet hängt sehr von den Rahmenbedingungen ab.

Der Einsatz von Medikamenten ist im klinischen Alltag schneller umsetzbar als im Praxisalltag mit dysphagischen Patient*innen.

Die Basis ist immer eine logopädische Dysphagietherapie zur Verbesserung des Schluckaktes. Hier nimmt die therapeutischen Mundpflege eine wichtige Stellung ein.

Medikamente die Dysphagien auslösen können

Vorsicht bei Behandlung einer Dysphagie mit Medikamenten ist immer geboten. Nicht zuletzt auch, weil Medikamente auch eine Dysphagie auslösen können!

Quellen

  1. Logemann JA. Evaluation and treatment of swallowing disorders. Texas: Austin, 1998.
  2. Erasmus CE, Van Hulst K, Rotteveel LJ, Jongerius PH, Van Den Hoogen FJ, Roeleveld N, Rotteveel JJ. Drooling in cerebral palsy: hypersalivation or dysfunctional oral motor control? Dev Med Child Neurol. 2009 51(6):454-9.
  3. Fischbacher L, Schröter-Morasch H. Medikamentöse Speichelreduktion bei Neurogener Dysphagie (ND). 2003.
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