Die fiberendoskopische Schluckuntersuchung (FEES) stellt ein wichtiges Diagnostikinstrument dar.
Die FEES hat ihren Platz auf einer Stroke Unit, kommt aber auch in der neurologischen Frührehabilitation zum Einsatz sowie bei ambulanten Patienten. In allen Fällen dient sie dem Nachweis oder Ausschluss von Schluckstörungen, gibt Hinweise auf Therapieinhalte und prüft kompensatorische Schluckmuster auf ihre Effektivität. Kurz: Ohne FEES wären viele logopädische Interventionen nicht möglich. Nahe liegt damit eine Durchführung der FEES durch Logopäden.
Wer führt FEES durch?
Ein Blick über den großen Teich ist im Falle der FEES nur bedingt sinnvoll. In den USA sind SLPs die vergleichbare Berufsgruppe zu den Logopäden, aber mit einer deutlich wertigeren Ausbildung und einer höheren Anerkennung im Gesundheitssystem. SLPs führen dort die fiberendoskopische oder videoendoskopische (VEES) Schluckuntersuchung selbständig durch, sofern sie eine entsprechende Zusatzausbildung absolviert haben.
In Österreich sind Logopäden regelhaft zuständig für die Behandlung einer Dysphagie, die Schluckuntersuchung ist dort ebenfalls geregelt und obliegt den Fachärzten für HNO. Klare Rahmenbedingungen also.
In Deutschland gibt es keine Zusatzqualifikation. Wenngleich Logopäden zwar Zielgruppe der workshops und Fortbildungen rund um die FEES sind, so erwerben sie damit keine offizielle Erlaubnis, die FEES durchzuführen. Auch gibt es in Deutschland keine eindeutige Zuordnung der FEES an die HNO-Ärzte. Deren Gesellschaft sieht das zwar anders, in der Realität von Patienten ist es aber schwer einen HNO-Arzt zu finden, der eine aussagekräftige FEES durchführt.
Zielsetzung und Setting
Um sich der Frage nach dem „Wer?“ weiter zu nähern, scheint eine genauere Betrachtung des „Warum?“ erforderlich.
Mit der FEES verfolgt ein interdisziplinäres Behandlungsteam das Ziel, eine mögliche Dysphagie auszuschließen. Gerade in der Akut-Neurologie und Stroke Unit ist das entscheidend, um Patienten vor Komplikationen zu schützen. In diesem Rahmen ist wichtig, dass die Untersuchung in engem Zeitfenster rund um die Aufnahme des Patienten durchgeführt werden kann. Neurologen und Logopäden sind vor Ort. In der neurologischen Frührehabilitation dann stehen zwei Fragestellungen im Vordergrund. Zum Einen geht es um die Entwicklung der Schluckfähigkeit der Dysphagie-Patienten. Kann eine Kostumstellung erfolgen, ist eine Oralisierung eines Patienten möglich? Andererseits müssen kompensatorische Schluckmuster getestet werden. Ist beim Schlucktraining eine Kopfdrehung nach links oder rechts effektiv? Funktioniert beim supraglottischen Schlucken der Glottisschluss? Dies sind Fragen, die eine FEES beantworten kann, und zwar auch im Verlauf. Auch hier sind Neurologen und Logopäden vor Ort.
Auch die Fragestellung nach dem Setting ist hilfreich. Die meisten Schluckuntersuchungen werden sicher in der Neurologie benötigt. Gefolgt von der Onkologie und der HNO. In allen drei Bereichen sind Logopäden tätig.
Delegierbar?
Keine Frage, die Durchführung einer FEES liegt in der Verantwortung der Ärzte. Die Verantwortung lässt sich nicht übertragen. Aber sie setzt nicht voraus, dass der Arzt die Untersuchung auch selbst durchführt. Eine Blutabnahme liegt auch in der Verantwortung des Arztes, wird aber oft an Arzthelferinnen delegiert. Viele medizinisch-technische Vorgänge werden an medizinisches Fachpersonal delegiert. Voraussetzung ist immer, dass der Arzt sich von der Qualifikation des anderen überzeugt hat – und das die Delegation personengebunden ist.
Nomen est omen
Vielleicht haben es die Verfechter der ärztlichen Exklusivität einfacher, wenn man sich darauf einigt, dass es zwar endoskopische Untersuchung heißt, aber keine Endoskopie ist. Uli Birkmann hat mich auf Facebook darauf hingewiesen, dass Endoskopien nicht delegierbar sind. Allerdings erscheint die Durchführung einer FEES nicht viel mit einer Endoskopie gemein zu haben, denn der Vorgang ist eher vergleichbar mit einem transnasalen Absaugen, mit dem Vorteil der Sicht.
Qualifikation
Die Durchführung der Endoskopie von Nasen-Rachenraum ist zwar Teil der hno-ärztlichen Facharztausbildung, kann aber auch von selbstkritischen Neurologen durchgeführt werden. Eine erhebliche Gefährdung des Patienten konnte in Studien ausgeschlossen werden (Aviv JE, Kaplan ST, Langmore SE (2001) The safety of endoscopic swallowing evaluations, in Endoscopic Evaluation and Treatment of Swallowing Disorders).
Die American Speech-Language-Hearing Association (ASHA) empfiehlt, die Kenntnisse und Fertigkeiten zur Durchführung einer FEES in einem dreistufigen Prozess zu erlernen.
Stufe 1: Teilnahme an einer praxisbezogenen Fortbildungsveranstaltung für Ärzte und Logopäden.
Stufe 2: Praktische Durchführung von Untersuchungen unter direkter Supervision.
Stufe 3: Untersuchungen werden selbständig durchgeführt und regelhaft begleitend supervidiert. Z. B. durch Nachbesprechung ausgewählter Befunde.
Siehe dazu auch: ASHA (2002) Knowledge and skills for speech-language pathologists performing endoscopic assessment of swallowing functions. American Speech-Language-Hearing Association.
Prof. Prosiegel, Prof. Dziewas und weitere empfehlen zusätzlich, in Stufe 2 ca. 20 bis 30 Untersuchungen bis man Stufe 3 erreicht (Dziewas R, Prosiegel M, Stanschus S et al (2013), FEES auf der Stroke-Unit. Der Nervenarzt 84:705–708. doi 10.1007/s00115-013-3791-y).
Diskussion
Sicherlich ist noch einiges zu regeln. Aber sollte man nur deshalb noch warten, den Patienten eine Untersuchungsmethode anzubieten, die ihren Lebensalltag erleichtert? Sollte man ein effektives und nachweislich funktionierendes Diagnostikverfahren ungenutzt lassen, nur weil nicht klar geregelt ist, wer es nutzen darf – obwohl es so leicht zu nutzen ist?